Wasserstoff als Energieträger der Zukunft – das Erdöl von Morgen?

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Wasserstoff als Energieträger der Zukunft – das Erdöl von Morgen?
Ob private, gewerbliche oder industrielle Nutzung oder durch den direkten Verbrauch als Kraftstoff – Erdöl findet gesamtgesellschaftlich außerordentlich viele Verwendungszwecke. Dementsprechend hoch sind Nachfrage und Verbrauch des Rohstoffs.

2021 beträgt der Rohstoffverbrauch deutschlandweit 95,5 Millionen Tonnen [1]. Erdöl fungiert hier schwerpunktartig als Energieträger. Darunter werden „Stoffe oder andere Kräfte [… verstanden], die geeignet sind, im physikalischen Sinn Arbeit zu leisten“. [2] Das Erdöl kann somit im ersten Schritt zum Speichern, dann zum Transport und schließlich zur Gewinnung von Energie genutzt werden. Allerdings sind die natürlichen Erdölvorräte begrenzt und ferner stellen Gewinnung und Nutzung eine extreme Belastung für Umwelt und Klima dar. Die Zukunftsfähigkeit des Energieträgers ist demnach fraglich. Es bedarf folglich an einer Alternative, die die Marktlücke angemessen füllt. Ein Energieträger, der ähnlich wie Erdöl ist und sowohl als „industrieller Rohstoff“ als auch als „stoffliche Grundlage für die Erzeugung synthetischer Energieträger“ [3] Anwendung findet, ist Wasserstoff.

Wasserstoff kann Energie monatelang speichern und ist dabei nicht giftig, ätzend oder radioaktiv [4]. Das Potenzial scheint groß zu sein, da Wasserstoff eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung einnimmt. Also dem „Prozess der Verringerung der ‚Kohlenstoffintensität‘, wodurch die Menge an Treibhausgasemissionen, die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen, verringert wird“ [5]. Die Dekarbonisierung stellt eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar. Auch seitens der Bundesregierung werden Wasserstofftechnologien ein vielversprechend hohes Potenzial zugesprochen. Im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie heißt es: „Neben den Vorteilen für das Klima und die Versorgungssicherheit, haben auch Wasserstofftechnologien das Potenzial für viele zukunftsfähige Arbeitsplätze und einen globalen Milliardenmarkt zu sorgen“ [6].

Wasserstoff als Energieträger – Illustrieren des Nachhaltigkeitspotenzials

Die enorme Kraft von Wasserstoff lässt sich anhand eines simplen Experiments, der Knallgasexplosion, stark vereinfacht illustrieren. Dabei wird ein Luftballon mit Wasserstoff gefüllt, verschlossen und unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen durch das Nähern eines brennenden Streichholzes zur Explosion gebracht [7]. Die enorme Kraft des Wasserstoffs wird durch den lauten Knall deutlich. Auffallend ist außerdem, dass lediglich Wasser als Endprodukt zurückbleibt [8]. Die Knallgasexplosion veranschaulicht demnach, auf stark vereinfachter und theoretischer Weise, das hohe Potenzial von Wasserstoff als Energieträger. Dadurch, dass lediglich Wasserstoff als Produkt zurückbleibt, entstehen keine schädlichen Neben- bzw. Abfallprodukte.

Gewinnung und Herstellung von Wasserstoff

Wasserstoff bezeichnet das in der Natur am häufigsten vorkommende chemische Element. Im Regelfall ist es ausschließlich gebunden mit anderen Elementen vorzufinden. Bei Wasserstoff handelt sich somit um einen Sekundärenergieträger, also einen Energieträger, der nicht direkt aus der Natur stammt, sondern erst umgewandelt werden muss [9]. Bei Normaltemperatur ist Wasserstoff gasförmig [10]. Die Herstellung von Wasserstoff erfolgt auf vier verschiedenen gängigen Weisen. Durch die jeweilige Weise und das entsprechende Verfahren erhält die gewonnene Form von Wasserstoff ihre Bezeichnung. Dabei wird zwischen Grauem, Blauem, Türkisem und Grünem Wasserstoff unterschieden. In Anbetracht der Zukunftsfähigkeit von Wasserstoff als Energieträger eignet sich vorwiegend das zuletzt genannte Verfahren. Im Folgenden werden die einzelnen Herstellungsverfahren erläutert:

Wasserstoff

Abbildung 1: Herstellungsverfahren Wasserstoff, Quelle: FfE München: Beitragsreihe Wasserstoff 

Grauer Wasserstoff

Bei diesem Verfahren wird der Wasserstoff von einem bereits bestehendem fossilen Kohlenstoff, im Regelfall Erdgas, abgespalten. Dies erfolgt unter Hitze mittels Dampfreformierung. Dabei reagiert Erdgas mit Wasserdampf. Neben dem entstandenen Wasserstoff entsteht allerdings auch Kohlenstoffdioxid, das in die Atmosphäre entweicht [11]. Grauer Wasserstoff gilt somit aufgrund seines Abfallprodukts nicht als nachhaltig (siehe Abbildung 1: Herstellungsverfahren Wasserstoff).

Blauer Wasserstoff

Auch Blauer Wasserstoff wird auf Grundlage einer fossilen Schlüsselressource mittels Dampfreformierung gewonnen. An dieser Stelle kommt im Gegensatz zum Grauem Wasserstoff eine Carbon Capture and Storage (CCS) Strategie zu Einsatz, die die CO₂-Emissionen abscheidet und speichert [11]. Diese Art der Wasserstoffproduktion gilt somit bereits als CO₂-neutral [10], also ohne Einfluss auf die Kohlendioxid-Konzentration der Atmosphäre, da die Nebenprodukte entsprechend gebündelt werden.

Türkiser Wasserstoff

Türkiser Wasserstoff entsteht durch die thermische Spaltung von Methan. Die hohen Temperaturen sorgen für einen Bindungsbruch der chemischen Verbindungen [12]. Dieses Verfahren wird als Pyrolyse bezeichnet. Im Gegensatz zu Grauem und Blauem Wasserstoff entsteht kein gasförmiges CO₂, sondern ein fester Kohlenstoff [11]. Um die Nachhaltigkeit dieses Verfahrens zu garantieren, muss sichergestellt sein, dass erneuerbare Energien verwendet werden. Außerdem muss der feste Kohlenstoff dauerhaft gebunden werden.

Grüner Wasserstoff

Die Produktion Grünen Wasserstoffs erfolgt durch Zerlegen von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Dabei wird elektrischer Strom verwendet. Dieses Verfahren wird als Elektrolyse bezeichnet. Ist der verwendete Strom nachhaltigen Ursprungs, so ist der gewonnene Wasserstoff als grün zu bezeichnen [13]. Grundlage für ein nachhaltiges Verfahren sind demnach erneuerbare Energien. Zudem entstehen keine weiteren Abfallprodukte. Grüner Wasserstoff ist somit nahezu klimaneutral und eignet sich gut als Energieträger. Voraussetzung dafür ist allerdings auch ausreichend nachhaltiger Strom.

Preisentwicklung 

Wie erläutert, basiert die Gewinnung von Grünem Wasserstoff auf der Technologie der Elektrolyse. Dieser Herstellungsprozess befindet sich allerdings weiterhin in der Entwicklung und ist noch nicht vollständig effizient. Zum jetzigen Zeitpunkt kann nur ein Teil der Energie umgesetzt werden. Circa 25 % gehen in Form von Abwärme verloren. Heute ist „mit dieser neuen Technologie noch kein industrielles Niveau mit entsprechender Kostendegression möglich“ [14]. Aufgrund des Aufwandsgrades und dem noch nicht vollständig ausgereiften Herstellungsverfahrens wird grüner Wasserstoff nur in kleinen Mengen hergestellt. Hohe Produktionskosten, die sich direkt auf den Preis des Endprodukts auswirken, sind das Resultat. Folglich sinkt auch die Anzahl potenzieller Abnehmer:innen. Der Preis ist darüber hinaus auch wegen der enormen Menge an benötigtem nachhaltigen Strom volatil. Zum einen fehlen die Kapazitäten, um ausschließlich in Deutschland zu produzieren und zum anderen nehmen normale Wetterschwankungen Einfluss auf die Preisentwicklung.
Dennoch sind die Ansätze der aktuellen Funktionsweisen vielversprechend und bieten großes Potenzial, das durch entsprechende Förderungen unterstützt wird. Prognostizierte Preisentwicklungen spiegeln das wider. Sollte die Technologie in der Effizienz steigen, wird der Preis fallen. Die Produktionskosten wären dann niedriger, sodass das Produkt, grüner Wasserstoff attraktiver für Abnehmer:innen und Verbraucher:innen wird. Folglich kann dann günstiger und in größeren Mengen produziert werden.

H20

Nationale Wasserstoffstrategie

„Trotz Corona-Pandemie dürfen wir beim Thema Wasserstoff nicht noch mehr Zeit verlieren“ [15], verdeutlicht die ehemalige Bundesforschungsministerin, Anja Karliczek Anfang 2020. Sie verweist auf das enorme Potenzial, Erdöl und andere fossile Brennstoffe langfristig und nachhaltig zu ersetzten. Um dieses entsprechend auszuschöpfen, bedarf es an Forschung und Überarbeitung der bereits bestehenden Strategien, Grünen Wasserstoff zu gewinnen.
Die Bundesregierung fördert diese Zukunftstechnologie im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie. Ziel ist es, „auf Basis der Wasserstofftechnologie den CO₂-Ausstoß in den Bereichen Industrie, Verkehr und Energie zu senken“ [6]. Das Bundesforschungsministerium unterstützt Initiativen, die Wasserstoff optimieren. Reallabore der Energiewende, die als Testräume für Innovation und Regulierung bereitstehen, werden beispielsweise durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Das Bundesverkehrsministerium fördert die Nutzung von Wasserstoff im Verkehr durch das nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstofftechnologien.

Wasserstoff als Schlüsseltechnologie

Wasserstoff ist in der Natur nahezu unendlich verfügbar [16] und bedingt bei der Herstellung nahezu keine Treibhausgas-Emissionen. „Mit der Technologie können bis 2050 pro Jahr etwa 560 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden“ [17], heißt es in einer Prognose, veröffentlicht durch das EU-Parlament. Das Einsatzgebiet ist ebenfalls breit gefächert. Sowohl in Flug- und Schwerlastverkehr als auch in der Schifffahrt bietet Grüner Wasserstoff, im Gegensatz zu anderen nachhaltigen Technologien wie Elektroenergie, eine praktisch alternativlose nachhaltige Treibstofftechnologie.
Für Unternehmen, die sich langfristig auf genau diesen Bereich spezialisieren, ist eine hohe Gewinnmarge realistisch abzuschätzen. Die steigende Nachfrage lässt sich unter anderem durch eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC bestätigen. Hier wird in allen geprüften Szenarien eine steigende Nachfrage, und bezüglich des Klimaschutzes ambitionierten Szenarien, sogar ein deutlich stärkeres Wachstum erwartet [18].

Wasserstoff als Energieträger der Zukunft 

Zusammengefasst ist Grüner Wasserstoff noch nicht als ausgereifte Technologie zu betrachten. Der Herstellungsprozess durch Elektrolyse ist nicht effizient genug, um auf dem freien Markt erfolgreich zu sein. Außerdem bedarf es an internationaler Kooperation, um die benötigten Mengen an erneuerbaren Energien bereitzustellen. Die bestehenden Ansätze versprechen dennoch jede Menge Potenzial. Das wird durch Marktanalysen und breiten Förderungsprogrammen deutlich. Darüber hinaus stehen Strategien zur Kostenreduzierung der Elektrolyse, beispielsweise durch das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE [19], bereit. Grüner Wasserstoff könnte somit, unter der Voraussetzung überarbeiteter Herstellungsverfahren, durchaus eine verlässliche und vor allem nachhaltige Alternative zum Erdöl werden.

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[1] Vgl. Statista: Verbrauch von Erdöl in Deutschland bis 2021 in https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36171/umfrage/verbrauch-von-erdoel-in-deutschland-seit-1990/ 

[2] Prof. Dr. Hans-Dieter Haas, Gabler Wirtschaftslexikon: Energieträger in https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/energietraeger-36691 

[3] Institut für angewandte Ökologie: Wasserstoff sowie wasserstoffbasierte Energieträger und Rohstoffe in https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Wasserstoff-und-wasserstoffbasierte-Brennstoffe.pdf 

[4] Vgl. e-Mission: Umwelttechnologien, Wasserstoff in https://platform.e-mission.de/de/courses/e-course-4/e-mod-1?sec=e-sec-15 

[5] Vgl. TwI Was ist Dekarbonisierung in https://www.twi-global.com/locations/deutschland/was-wir-tun/haeufig-gestellte-fragen/was-ist-dekarbonisierung 

[6] Vgl. Bundesregierung, Energie und Klimaschutz – Wasserstoffstrategie der Bundesregierung „Warum gilt Wasserstoff als Energieträger der Zukunft“  in https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/wasserstoff-technologie-1732248

[7] Vgl. Seilnacht: Knallgasexplosion, Wasserstoffballon in https://www.seilnacht.com/versuche/experih2.html 

[8] Vgl. Klima:neutral: Wasserstoff als Technologie der Zukunft? In https://www.youtube.com/watch?v=Bng_QFTd6MQ 

[9] Vgl. SFC Energy: Sekundärenergie hat viele Facetten in https://www.sfc.com/glossar/sekundaerenergie/ 

[10 ]Vgl. Bundesregierung, nationale Wasserstoffstrategie  Wasserstoffstrategie der Bundesregierung „Warum gilt Wasserstoff als Energieträger der Zukunft“  in https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/wasserstoff-technologie-1732248

[11] Vgl.FfE München. Beitragsreihe Wasserstoff: Wie wird Wasserstoff Produziert? In https://www.ffe.de/veroeffentlichungen/beitragsreihe-wasserstoff-wie-wird-wasserstoff-produziert/ 

[12] Vgl. Chemie.de: Pyrolyse in https://www.chemie.de/lexikon/Pyrolyse.html 

[13] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Was ist eigentlich grüner Wasserstoff? In https://www.bmwi-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2020/07/Meldung/direkt-erklaert.html 

 [14]ASUE: Grau, Blau oder Grün: Was kostet der Wasserstoff?  in https://asue.de/aktuelles_presse/kosten_von_wasserstoff_hydex

 [15] Vgl. Ecomento (DE)  Forschungsministerin drängt zu Eile bei Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, Spiegel, 06.05.2020 in https://ecomento.de/2020/05/06/wasserstoffstrategie-der-bundesregierung-weiter-strittig/

[16] Vgl. Ingeneur.de: Ist Wasserstoff endlich sauber und wirtschaftlich herstellbar? In https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/energie/ist-wasserstoff-endlich-sauber-wirtschaftlich-herstellbar/ 

[17] Vgl. e-mission Glossar, Wasserstoff, Referenz zu EU-Parlament 19.05.2019 in https://platform.e-mission.de/de/courses/e-course-4/e-mod-1?sec=e-sec-iq7

[18] Vgl. Pw.C Studie 2021: Der Markt für Wasserstoff entwickelt sich dynamisch,  Chance zur Dekarbonisierung: Grüner Wasserstoff als Motor der Energiewende in https://www.pwc.de/de/energiewirtschaft/wasserstoff-ein-essentieller-baustein-der-energiewende/chance-zur-dekarbonisierung-gruener-wasserstoff-als-motor-der-energiewende.html

[19] „Die Forscher entwickeln neue Membranmaterialien, verlängern die Lebensdauer der Zellen durch eine Anti-Korrosions Beschichtung und führen entsprechende Lebensdauertests durch“ Vgl. Fraunhofer-Gesellschaft: Wasserstoff – so bleiben wir mobil in https://www.fraunhofer.de/de/forschung/aktuelles-aus-der-forschung/wasserstoff-so-bleiben-wir-mobil/herstellung-gruener-wasserstoff.html 

 

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